Kirsten Wolandt war mehrere Jahre Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Wersten. Anfang Juli wird sie die Gemeinde verlassen und für sechs Jahre nach Teheran gehen. Zu diesem Anlass habe ich sie interviewt, um mehr über ihre Beweggründe oder Absichten zu erfahren:
Jonas Einck: „Wie lange warst Du jetzt in der Gemeinde?“
Kirsten Wolandt: „Ich war jetzt sieben Jahre in der Gemeinde als Pfarrerin tätig, davor war ich kurz in Köln in einer Gemeinde.“
E: „Wie groß ist die neue Gemeinde?“
W: „Die Gemeinde in Teheran ist von den Mitgliederzahlen im Vergleich zu Gemeinden hier in Deutschland klein. Sie hat allerdings eine große Reichweite und nicht alle Menschen, die die Gemeinde regelmäßig besuchen, sind Mitglieder.“
E: „Welche Funktion hat der Gemeindestandort Teheran?“
W: „Der evangelische Kirchenstandort in Teheran hat eine Reichweite, die sich über mehrere Golfstaaten erstreckt, Oman, Katar und Saudi Arabien gehören zum Beispiel auch dazu.“
E: „Welche Aufgaben wirst Du in der neuen Gemeinde haben?“
W: „In der Gemeinde werde ich jeden Freitag einen Gottesdienst halten. Außerdem habe ich mehr Verwaltungsaufgaben als hier, das heißt dass ich mich stärker um die Finanzen und die Organisation der Gemeinde kümmern muss. Außerdem wird es wie hier auch, Aufgabe der Pfarrerin sein, Andachten oder Gesprächskreise zu veranstalten. Ein besonders wichtiger Tätigkeitsschwerpunkt wird die Arbeit mit den Frauen vor Ort sein. Außerdem werde ich den Kontakt zu anderen deutschen evangelischen Gruppen in anderen Golfstaaten halten. Dazu werde ich auch öfters Reisen in diese Länder antreten müssen.“
E: „Wird es auf der Gemeindeebene Begegnungen oder Kooperationen mit muslimischen Gemeinden geben?“
W: „In einem Land, in dem ca. 99% der Menschen Muslime sind, fallen die Christen kaum ins Gewicht, deshalb sind die Christen hauptsächlich auf sich alleine gestellt. Trotzdem wäre es schön, wenn es Begegnungen und Austausch mit anderen Religionen gäbe.“
E: „Kann man sich die Gemeinde dort ähnlich wie die Gemeinden hier vorstellen? Gibt es dort zum Beispiel auch Konfirmanden?“
W: „Natürlich gibt es sowohl Gemeinsamkeiten, als auch Unterschiede. Einerseits wird es dort genauso wie hier auch regelmäßige Gottesdienste geben. Andererseits werden die Angebote wahrscheinlich nicht so vielfältig sein. Konfirmanden gab es dort in den letzten Jahren sehr wenige. Nachdem die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran aufgehoben wurden, werden wahrscheinlich wieder mehr Deutsche in den Iran einreisen, wodurch die Zahl der Konfirmanden in den nächsten Jahren wieder steigen könnte.“
E: „Wo bist Du schon einmal im Ausland gewesen?“
W: „Während meiner Ausbildungszeit bin ich ein Jahr in Paris gewesen. Bevor ich in Köln tätig war, habe ich sechs Jahre in Nigeria gearbeitet.“
E: „Wie lange wirst Du im Iran bleiben?“
W: „Ich werde sechs Jahre dort bleiben.“
E: „Hast Du schon Pläne für die Zeit danach?“
W: „Danach werde ich mich wieder auf eine Pfarrstelle in der Rheinischen Kirche bewerben. Wo das sein wird, weiß ich jetzt noch nicht.“
E: „Hast Du bestimmte Ziele, die Du dort erreichen willst?“
W: „Ich habe vor allem das Ziel, den Menschen, die unter so anderen Bedingungen leben und ihren Glauben ausüben, nah zu sein und mit dem Vorhandenem eine lebendige Gemeinde zu bauen.“
E: „Die Gemeinde dort ist kleiner als unsere. Heißt das auch, dass die Menschen dort enger zusammenrücken, und sich vielleicht mehr in der Gemeinde engagieren?“
W: „Genauso wie hier ist Engagement der Gemeindemenschen sehr wichtig. Ich glaube, dass die Menschen dort ein höheres Verantwortungsbewusstsein haben, da sie wissen, dass ohne sie die Gemeinde nicht bestehen kann.“
E: „Hat die Gemeinde eigene Räume?“
W: „Die Gemeinde dort hat eine eigene Kirche und ein eigenes Pfarrhaus. Beides ist aber von der Straße aus gar nicht erkennbar. Die Kirche hat auch keine Glocken und keinen Glockenturm.“
E: „Wieso möchtest Du ausgerechnet in den Iran?“
W: „Ich habe schon einmal Urlaub im Iran gemacht, dadurch weiß ich, dass die Landschaft dort sehr schön ist. Beeindruckt hat mich dort auch die Freundlichkeit der Menschen. Deshalb würde ich das Land und die Menschen dort gerne intensiver kennenlernen.“
E: „Was empfindest Du für Gefühle, wenn Du an deine Zeit im Iran denkst?“
W: „Im Moment überwiegt der Respekt. Im Iran wird sehr vieles anders sein, als hier. Es werden viele Herausforderungen auf mich zukommen, die es zu überwinden gilt. Eine große Umstellung wird vor allem die Sprache sein. So weit weg von Zuhause werde ich auch sehr auf mich allein gestellt sein. Natürlich ist auch Teheran als Großstadt auch eine Herausforderung. Die hohe Verkehrsdichte und die Luftverschmutzung sind auch zwei Faktoren, auf die ich mich einstellen muss. Genauso wie jeder andere Umzug, wird auch dieser Umzug eine Umstellung sein.“
E: „Hast Du Respekt vor den strengen Regeln, gerade für Frauen?“
W: „Das sind halt die Regeln in dem Land. Daran muss man sich anpassen. Außerdem habe ich ja schon durch meine Besuche Erfahrungen, zum Beispiel mit dem Tragen des Kopftuchs gemacht.“
E: „Kannst Du die Sprache schon?“
W: „Nein, die Sprache kann ich noch nicht. Zu Beginn meiner Zeit dort werde ich einen intensiven Sprachkurs besuchen.“
E: „Hast Du schon Kontakte dort, an die Du dich wenden kannst?“
W: „Im Moment stehe ich in engem Kontakt mit meinen Vorgängern, die noch da sind. Es ergeben sich immer wieder Fragen, mit denen ich mich gut an sie wenden kann. Wenn ich dahin komme, werden dort auch der Hausmeister und eine Sekretärin sein, an die ich mich wenden kann.“
E: „Wie wirst Du Kontakt zu deiner Familie behalten, die noch hier in Deutschland lebt?“
W: „Glücklicherweise gibt es heutzutage solche Internetdienste, wie WhatsApp oder Skype, über die man immer Kontakt haben kann. Und natürlich werden wir uns auch gegenseitig besuchen.“
E: „Was verbindest Du mit unserer Gemeinde? Was behältst Du von unserer Gemeinde in Erinnerung?“
W: „Mit der Gemeinde verbinde ich sehr viel. Vor allem mit den Menschen, denen ich begegnet bin. Unsere Gemeinde ist sehr lebendig, vielfältig und es gibt viele Menschen, die sich einsetzen. Im Vergleich zu anderen Gemeinden sind auch immer viele Leute in den Gottesdiensten. In der Gemeinde hat sich in den letzten Jahren viel entwickelt und verändert. Es war sehr toll, das alles miterlebt zu haben.“
E: „Gibt es etwas, was Du unserer Gemeinde noch mit auf den Weg geben möchtest?“
W: „Ich glaube in der Gemeinde laufen viele Sachen von selbst sehr gut. Deshalb kann ich nur sagen: ‚Macht weiter so!‘“
Das Interview wurde am 14.06.16 von Jonas Einck geführt.