Hallo, da sind wir wieder, wieder.
Wir werden uns einen neuen Anfangssatz ausdenken müssen, denn sonst wird es mit der Zeit ganz schön langweilig. Zuerst einmal ein kleiner Nachtrag zum letzen Artikel: Philip hat Thomas (Name geändert) vom letzen Mal noch ein neues Buch vorbei gebracht, denn versprochen ist schließlich versprochen. Es war ein Thriller und er hat mit mir getauscht, denn er konnte sich noch daran erinnern, dass Lisa Interesse an dem Buch äußerte, dass er beim Essen in der Hand hatte. Seine Augen glänzten, als er gesehen hat, wie Philip sein Buch aus der Tasche zog. Es erinnerte ein bisschen an das Glänzen, dass Kinder an Weihnachten haben, wenn sie Geschenke bekommen. Doch nun genug mit dem schnulzigen Schreibstil, es geht in Runde Drei!
Dieses Mal sind wir zu zweit an Bord, Johannes & Philip treffen sich zeitgleich vor der Tür der Jugendkirche. Ein super Timing. Beiden ist auch schon auf dem Hinweg, getrennt voneinander, eine junge Person aufgefallen, die ein riesiges Schild vor sich stehen hatte, auf dem freundlich nach Geld für Essen gefragt wurde. Wir erzählten uns gegenseitig, dass es doch natürlich viel besser wäre einfach mit Essen bei ihm vorbei zu schauen. Es ging zu REWE, Nudeln mit einer frischen, gesunden und vorallem heißen Gemüsesoße waren das Ziel. Denn von dem „Rosenmontagssturm“ waren auf jeden Fall noch der Regen und einige Windböen übrig, die uns den Abend versüßten. Aber das gehört dazu. Unser Ziel ist es, das Leben der Individuen kennenzulernen, die nicht das Glück haben, ein Dach über dem Kopf zu haben. Und da gehören Wind und Wetter nun mal dazu. Knoblauch, Zwiebeln, Paprika, Möhren, Zucchini, Tomaten, frisch und getrocknet und frischer Basilikum wurden für die Soße in hoher Geschwindigkeit verarbeitet. Wir waren beide ziemlich aufgeregt und hatten ein bisschen Angst, dass unser „Opfer“ geht, bevor wir die Möglichkeit haben ihm Essen aufzutischen. Ungefähr so sah dann auch am Ende die Küche aus. Ein gutes Zeichen: Wir haben bei REWE auf den Cent genau 15€ bezahlt. Der Abend musste gut werden.
Nachdem wir in Windeseile gekocht haben, ging es direkt nach draußen. Unsere Zielperson saß quasi direkt um die Ecke vor dem Laden „Six“ auf der Flinger Straße. Sie war sogar noch da, ein Glück. Das Ansprechen ist mittlerweile leichter als vorher, zumindest für Philip. Johannes fühlte sich, was man am ehesten mit dem Wort unbeholfen beschreiben könnte. Es war für ihn eine komplett fremde Situation und er hatte „Angst den Obdachlosen zu enttäuschen.“ Unser Essensgast war zuerst überrascht und hat augenscheinlich versucht unsere Frage nach einem gemeinsamen Mahl zu realisieren. Doch dann lud er uns direkt ein sich zu ihm zu setzen. Sein Name ist Erik. Wir wissen leider nicht genau, ob er mit C oder K am Ende geschrieben wird. Erik und seine Hündin Lily, machten uns Platz vor einer Haustür und wir hatten ein kleines Plätzchen, an dem es trocken war. Es zogen abwechselnd kalte und warme Briesen vorbei. Je nachdem, ob der Wind wehte oder bei Six die Tür auf ging. Wir tischten auf, jeder bekam eine Schüssel mit Nudeln und Soße, dazu eine Limo oder Cola. Kurz, bevor wir mit dem Essen loslegen konnten wurde Johannes direkt von der Haustür in den Rücken gestochen, vor der er saß. Wir würden ja nicht lange den Weg versperren. Wir haben natürlich mal wieder total vergessen uns vorzustellen. Philip fragte Erik nach seinem Namen und antwortete dann auf seine Gegenfrage mit „Guten Appetit“. Klassiker. Wir fingen an Erik ein paar Fragen zu stellen, uns gegenseitig bekannt zu machen und uns somit auch kennen zu lernen. Dafür, dass Erik aus der Slowakei kommt, kann er ziemlich gut deutsch sprechen. Und zwar ohne einen Kurs besucht zu haben, nur durch sein Leben auf der Straße. Beim Lesen und Schreiben hapert es natürlich, dass kann man durch alleiniges zuhören auch nicht lernen. Er ist relativ neu in Düsseldorf, vorher hat er in Bayern gelebt. Bayern, andere Menschen, andere „Sprache“ und anderes Essen. Er musste sich erst wieder neu einfinden. Mittlerweile hat Erik einen kleinen Alltag aufgestellt, Orte zum Bleiben oder Schlafen gefunden und Freunde, die ihm helfen. Er ist sehr offen und gutherzig zu uns gewesen, hat uns immer wieder erzählt, wie sehr es ihn freut, dass wir mit ihm zusammen essen. Da sei etwas, was „noch nie jemand für mich gemacht“ hat und zugleich seine „erste warme Mahlzeit seit 2 Monaten“. Er war ziemlich schnell voll, denn er hatte glücklicherweise davor schon eine Pizza geschenkt bekommen. In der Zeit, die wir zusammen verbracht haben, haben wir eine unglaubliche Interaktion mit den anderen Menschen gehabt. Zumal war da eine Person, die in dem Haus gewohnt hat, vor dem wir saßen und freundlich unsere Einladung zum Mitessen abgelehnt hat, als sie wieder kam. Dann gab es da noch eine Person, die Erik mitterweile ziemlich gut kennt. Sie arbeitet in der Altstadt und bringt ihm jeden Abend eine Zigarette vorbei, seit Dezember. Meistens lässt sie auch etwas Kleingeld da. Philip war sehr berührt von der Fürsorge der Person. Johannes findet es fremdartig, dass eine Person keinen alltäglichen Kontakt zu Menschen hat, ergo ein freundschaftliches Verhältnis zu anderen Leuten, wie wir es von Familie, Freunden und Arbeitskollegen kennen. Diese Meinungsdifferenz regt zum Nachdenken an. Wie viele Obdachlose haben so Verhältnisse und haben die anderen auch so Menschen, die jeden Tag vorbei kommen und etwas Kleines da lassen? Liebe Person: Wenn du das hier eventuell lesen solltest: Danke, dass du dich so lieb um Erik kümmerst. Du scheinst ein sehr toller Mensch zu sein!
Auch Lilly kam heute nicht zu kurz. Denn neben der Restportion der Gemüsepfanne, die sie als etwas zu vegan empfand, bekam sie von einer netten anderen Spender/in (man beachte, dass wir gerade einen genderneutralen Satz bauen wollen!) 3 Pakete mit diversem Hundefutter! Erik selbst beschrieb den Abend als seinen Glückstag, was in Anbetracht seiner Situation eher wehmütig klang. Erik begann von sich zu erzählen. Er ist 20 und lebt seit 5 Jahren in Deutschland und damit auf der Straße. Die ersten Jahre hat er in München verbracht, er kam mit der Hoffnung auf eine Wohnung und Arbeit vor 7 Monaten nach Düsseldorf. Die Suche nach Arbeit und Wohnung ist bis jetzt erfolglos, der Teufelskreis besagt: Keine Wohnung, keine Arbeit, keine Arbeit, keine Wohnung. Er sagte uns immer wieder, wie glücklich es ihn macht, dass wir heute Abend bei ihm sind und erzählte uns, dass er meistens vor REWE To Go oder vor Six sitzt. Sein größter Wunsch sei es einfach von der Straße herunter zu kommen, „ein normales Leben zu führen, eine Wohnung zu haben, eine Frau und einen Job“. Er „würde alles für eine Arbeit machen“. Dabei fing er an zu weinen. Er sagte, dass er weder harte Drogen, noch Alkohol konsumieren würde, er hätte eh schon genug Probleme in seinem Leben. Außerdem würde er es Lily niemals antun wollen, dass er sich nicht richtig um sie kümmern kann. Sie sei für ihn „wie eine Tochter“, sein einziger wirklicher Freund, Helfer und gleichzeitig auch das Lebewesen, mit dem er am meisten Zeit verbringt. Lily war extrem gut gepflegt. Sie sieht sehr gesund und munter aus, die hört auf das, was Erik ihr in seiner Muttersprache zuflüstert und hatte sogar den Anstand die Nase nur einmal in den Essenskorb zu stecken. Erik war sehr froh darüber, dass wir über seine Situation schreiben. Er hofft darauf, dass eventuell jemand von seiner Situation ließt und ihm die Möglichkeit bietet sich in einem Beruf zu beweisen. Wir haben ihm ehrlich gesagt, dass wir nicht wissen, wer und wie viele diesen Text überhaupt lesen und wollten ihm auch keine falschen Versprechungen machen. Wir haben ihm allerdings angeboten, ihm mit Lea ein paar Einrichtungen für Obdachlose zu zeigen, damit er sein Geld nicht für teures warmes Essen ausgeben muss, sondern mehr für Klamotten, Hygiene und Lily hat. Momentan wartet er immer darauf, dass eine etwas reichere Person ihm mal einen 50er in die Hand drückt, damit er sich solche Dinge leisten kann. Was uns auch positiv aufgefallen ist: Erik hatte keinen strengen Geruch, er achtet sehr auf sich und Lilys Hygiene, hoffentlich eine Kompetenz, die ihm von der Straße helfen wird. Er erzählte uns sogar, wo er schläft, was wir allerdings nicht weitererzählen. Dann hat er sich von uns verabschiedet. Er wollte seine Schlafstätte aufbauen gehen und früh ins Bett. Das Ordnungsamt würde ihn immer morgens vor acht wecken, damit er seinen Platz abbaut. Auch unter den Mitarbeitern des Ordnungsamtes gibt es laut Erik die einen und die anderen. Es gibt die Mitarbeiter, die ihn morgens mit einem kleinen Witz wecken und die, die einer anderen Person, welche um acht noch Zeit brauchte, wach zu werden und das Zelt abzubauen, eine Ladung Pfefferspray in die Augen verpasste. Die Augen der anderen Person waren noch eine Stunde lang rot und gequollen, allerdings möchten wir hier kein Urteil treffen, da wir bei der Situation nicht dabei waren.
Wir verabschiedeten uns von Erik. Mit einer Umarmung. Denn manchmal braucht man auch nur eine kleine Geste, damit der Abend für so einen armen Menschen zum Glückstag wird.