Hallo, da sind wir wieder.

Diesmal mit anderer Besetzung, anderem Essen, anderen Menschen, anderem Korb und vorallem: Anderen Themen, die uns auf jeden Fall noch ein paar Tage beschäftigen werden. Falls sich irgendjemand fragen sollte, wieso zwischen Teil 1 und Teil 2 so viel Zeit vergangen ist: Philips Alltag mit Studium und Ausbildung musste sich insofern stabilisieren, dass man Speisen&Sprechen mit dem nötigen Elan angehen kann. Denn es geht vorallem darum, dass man zu 100% hinter den Dingen steht, die man tut und auch Spaß und Lust an so einem Projekt hat. Mit dabei diesmal Lisa, die neue FSJlerin der Jugendkirche und Lea, FSJlerin bei der Bahnhofsmission. Lea hat mit mir am letzten Ideenwochenende der Jugendkirche teilgenommen und erzählt, dass in der Bahnhofsmission oft Obdachlose sind, die einfach mal jemanden brauchen, der mit Ihnen redet. Da ist uns Speisen&Sprechen sofort in den Sinn gekommen und wir wollten es so schnell wie möglich wieder aufleben lassen. Doch genug mit dem Organisatorischen, auf zur Tat!

Es gab einen wunderbaren Gemüseauflauf, den Lea und Lisa fleißig zubereitet haben, während Philip noch auf dem Weg war. Er hat Arno und Lilly wieder getroffen und konnte es sich nicht nehmen lassen mit den beiden zu quatschen und Lilly eine ordentliche Portion an Streichleinheiten zu verpassen. Lilly sah wie immer super gepflegt und glücklich aus, was in Anbetracht dessen, was Arno beim letzten Mal erzählt hat, ein sehr gutes Zeichen ist.

Passend zum Gemüseauflauf, den wir mit Mühe und Not samt heißer Auflaufform in den neuen Thermokorb gezwängt haben gab es natürlich eine weite Auswahl an Getränken, wir wollten ja unseren Gast gebührend verwöhnen. Es ging raus auf die Straße.

Nils, der Leiter der Jugendkirche hat uns von einer Person in der Nähe eines Ladens erzählt, die dort immer ganz unauffällig sitzt und den Eindruck macht eine echt nette Person zu sein. Die Gelegenheit wollten wir uns natürlich nicht nehmen lassen und haben uns auch ohne große Umwege direkt auf den Weg gemacht um zu gucken, ob wir ihn noch antreffen. Und wir hatten Glück. Er saß seelenruhig vor dem Laden und war in einen Thriller vertieft. Wir fragten, diesmal kein bisschen unaufgeregter als beim ersten Mal, ob wir uns zu ihm setzen und mit ihm essen und quatschen dürften. „Da kann ich ja schlecht Nein sagen“, war die etwas verunsicherte und schüchterne Antwort. Etwas selbstsicherer setzten wir uns hin, verteilten das Essen. Er wollte nicht allzu viel haben, denn „nach dem ganzen Junkfood muss man den Magen erst wieder an normales Essen gewöhnen.“ Man merkte allerdings, wie die warme Schüssel in seinen Händen ihn ein wenig auftaute, die anfängliche Perplexität legte sich. Ein gefräßiges Schweigen begann. Dann stellten wir uns, viel zu spät, vor, sein Name war Thomas (Name geändert). Thomas ist seit dem letzem Juni in Düsseldorf. Zuerst hat er am Bahnhof gelebt, seit letztem November ist er dann „in die Altstadt gezogen“. Thomas wollte uns nicht erzählen, seit wann oder warum er auf der Straße gelandet ist, was für uns vollkommen verständlich ist, wir haben dann auch nicht weiter nachgehackt. Wir wissen, dass er mindestens ein Kind haben muss und es vermutlich nicht weiß, dass er auf der Straße lebt. Ganz im Gegensatz zu Arno und Stefan, die mit ihrer Situation offener umgehen. Auch war er nicht so gesprächig wie die beiden, er hat zwar offen und freundlich mit uns geredet, aber nicht aus dem Nähkästchen geplaudert. Man hat gemerkt, dass er sehr bewusst darauf achtet, was er von sich Preis gibt, und was nicht. Wenn er autark gesprochen hat, hat er immer wieder die Themen aufgegriffen, die sich bereits im Gespräch ergeben haben. So haben wir hauptsächlich über die „Clique“ am Bahnhof gesprochen, die Lea schon von ihrer Arbeit dort kennt. Wir haben einige Leute im Gespräch „wieder erkannt“ die Lea und er beide kannten, und die so auch „bekannt“ sind. Zum Beispiel hat er Lea gefragt ob der bahnhofsbekannte „Fritz“ (Name geändert) immer noch am Bahnhof ist oder ob er bereits das ihm schon lange versprochene WG-Zimmer bekommen hat. Leider ist „Fritz“ immer noch am Bahnhof und verdient sein Geld mit Schnorren. Wir haben außerdem von Thomas gelernt, dass es sogar gesetzlich verboten ist Leute auf der Straße anzusprechen und sie um Geld zu bitten, es sei lediglich erlaubt ein Behältnis oder ähnliches aufzustellen und zu hoffen, dass jemand einem etwas gibt. Thomas hat auch genau das getan, er hatte eine leere Bockwurstdose gereinigt und vor sich stehen. Wir vermuten, dass er, da er eh sehr bedacht darauf ist, das ihn niemand kennt, auch nicht aktiv bettelt um, keine Probleme mit dem Ordnungsamt zu bekommen.

Wir haben ihn auch gefragt wo er denn seine Nächte verbringt und heraus gefunden das er immer in einem Ladeneingang in der Nähe schläft. Lea fragte, warum er es nicht mal mit einer der Notschlafstellen in Düsseldorf probiert. Er erzählte, es sei „nichts für Ihn mit so vielen Fremden auf einem Zimmer eingepfercht zu schlafen. Thomas lebt momentan in einer sehr schwer nachvollziehbaren Situation. Er möchte eigentlich wieder in einer Wohnung leben, aber er hat einen Grund, der ihn davon abhält, zum Amt zu gehen. Es ist auf jeden Fall nicht die Angst vor den Behörden, denn er hat Gespräche mit dem Ordnungsamt erwähnt, sondern eher eine Art emotionale Antriebslosigkeit. Allerdings wehrt er sich auch vehement dagegen sich mit anderen Obdachlosen zusammenzuschließen. Wir vermuten, dass er keinesfalls in einen Drogensumpf gezogen werden will. Thomas trinkt auch nicht, nur die Zigarette nach dem Essen kann er sich nicht abgewöhnen. Er stagniert quasi, will momentan weder die Kurve endgültig bekommen, noch will er entgleisen. Für die Kippe nach dem Essen hatte er einen eigenen kleinen Aschenbecher, improvisiert aus einer alten American Spirit Dose. Uns fiel auf, dass sein Platz generell extrem sauber war. Thomas war darauf bedacht seinen Platz „so zu verlassen, wie ich ihn vorgefunden habe.“ Das hat uns, zugegeben, tief beeindruckt, weil das eine Denkweise ist, die nicht viele Menschen, egal ob obdachlos oder nicht, haben.

Lea hat ihm dann die ein oder andere Einrichtung ans Herz gelegt, damit er in Zukunft nicht 8€ für die Dusche im Hauptbahnhof bezahlen und seinen Magen nicht wieder mit Junkfood strapazieren muss. Eine SMS, auf die Thomas ausführlich antworten wollte, hat das Gespräch dann beendet.

Alles in allem erschien uns Thomas als sehr freundliche und anständige Person, bei der wir hoffen, dass er sich bald aufraffen kann, um die Kurve endgültig zu bekommen. Wir waren sehr beeindruckt, dass er seine Zeit sehr gerne mit Thrillern und Krimis verbringt, ein Ansporn für uns, ihn bald mal mit Nachschub zu besuchen. Denn die Sucht nach guten Geschichten ist auf jeden Fall unterstützenswert.

-Philip Maas, Lea Pabich & Lisa Kluge